WHEW - die 100km von Wuppertal am 04.05.19 

Wir reisten am Freitag die gut 500km mit dem Auto an und waren pünktlich zur Öffnung der Startnummernausgabe am Mirker Bahnhof an der stillgelegten Nordbahntrasse, dem Ort von Start und Ziel. Der Veranstalter war wohl noch nicht so weit, dafür waren schon viele Läufer da. Es war etwas durcheinander. Dann im nahe gelegenen Hotel Tryp eingecheckt und mit all unseren Sachen Chaos im Zimmer verbreitet.

 

Vor unserem Radiergummitreffen mit Andreas und Sonja – Andreas wohnt in Wuppertal – hatten wir noch Zeit und wollten die Schwebebahn ausprobieren. Was sonst? Auf der kurzen Autofahrt dorthin war Bernd schon irgendwie still und beim Aussteigen rückte er mit der Sprache heraus: MAGENSCHMERZEN !!! Panik und höchster Alarm bei mir – die Erinnerung an den Mauerweglauf 2016 kam sofort wieder hoch. Es war 17:40h – schnellstens zur Apotheke, Iberogast und Fencheltee gekauft, im Supermarkt noch Haferflocken und Zwieback. Anstatt einer ordentlichen Portion Nudeln gab es für Bernd bei unserem Abendessen nun nur Schonkost. Zum Glück hatte ich einen Wasserkocher dabei – Tee kochen und Haferflocken anrühren waren kein Problem. Mit Sonja und Andreas war es sehr schön. Wir erfuhren, dass die Schwebebahn sowieso derzeit nicht fährt. Also nichts verpasst. Gegen 22:30h waren wir dann im Bett.

 

Seit Tagen hatte ich ja mehrmals täglich den Wetterbericht aufgerufen und das Wetter beschworen – es wollte sich einfach nicht ändern. Für den Samstag war das kälteste und schlechteste Wetter seit Wochen angesagt – Regen, morgens 2 Grad, max. 8 Grad. Brrr. Als der Wecker um 5h klingelte, herrschte Schneeregen. Aber ein recht großes Regengebiet war gerade dabei abzuziehen.

 

Bernd ging es besser, den Magen merkte er fast nicht mehr. Trotzdem gab es keinen Kaffee, nur Tee und Porridge. Er zog sich so an, dass er einige Teile später ausziehen und in den kleinen Laufrucksack stecken konnte. Wir fuhren zum Start und ja – es war kalt. Aber der Regen hatte zum Glück tatsächlich aufgehört. Der Startschuss knallte um 7:00 Uhr und Bernd lief guter Hoffnung los. Zuerst eine kleine Schleife in Gegenrichtung, dann ab auf die Strecke.

Die Strecke ist ein großer Rundkurs und wurde als flach beschrieben. Na ja. Sie verläuft ganz überwiegend auf alten Bahntrassen, die zu Radwegen umgebaut wurden oder direkt auf Radwegen – ganz oft an Flüssen und Seen entlang. Ich hätte nicht gedacht, dass die Gegend so schön ist. Aber ca. 580 Höhenmeter waren es am Ende doch.

 

Der 100km Lauf war schon seit vielen Wochen ausverkauft. Es gab einen 100km Einzellauf, 100km Run and Bike sowie einen 2er und 4er Staffellauf. Es traten 192 Einzelläufer an, von denen 178 auch ins Ziel kamen.

 

Ich fuhr nach dem Start ins Hotel zurück, frühstückte und packte dann die Sachen für die Radbegleitung. Ab km 50 begleitete ich Bernd. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte ich mithilfe eines Trackers, den Bernd bei sich hatte, und einer APP stets beobachten, wo Bernd gerade war. Tolle neue Errungenschaft!

 

Am späten Vormittag machte ich mich auf den Weg. Von Wuppertal fuhr ich mit der S-Bahn nach Essen-Kupferdreh an den Baldeneysee – zu km 50. Das war alles sehr bequem. Das Fahrrad war mal wieder voll bepackt: Wechselschuhe für Bernd, 1000 kleine Dinge wie Pflaster, Desinfektionsspray, Gels, Magnesium, Salz usw., warme Sachen, 2 Thermoskannen (eine mit Tee, eine mit heißem Wasser), Thermosbecher, Kartoffelbrei, Haferflocken, Brühe...

 

Wegen des Trackers wusste ich genau, wann Bernd kommen würde und rührte ihm gleich mal meine neue Erfindung an: Kartoffelsuppe aus Kartoffelbrei, heißem Wasser und Brühe. Das ist eine tolle Läuferverpflegung, wird es jetzt immer geben!

Als Bernd kam, lachte er zwar. Aber schon bald stellte sich heraus, dass ihm der Lauf doch schon sehr schwer fiel. Die Magengeschichte von gestern? Die Rückenschmerzen, die vom Kajakfahren vor einer Woche noch nicht ganz weg waren? Die doch fehlende Erholung nach dem Marathon vor 6 Tagen? Wahrscheinlich alles zusammen. Er hatte Zweifel, dass er finisht.

 

Nach einer Weile wurde es allerdings besser. Bernd wurde gesprächiger und lustiger. Die Strecke war wunderschön und verlief bis km 72 überwiegend an der Ruhr entlang. Die Sonne kam durch – herrlich.

 

Irgendwann um km 70 herum fragte ich ihn, welchen Schnitt seine Uhr so anzeigt. Wir hatten ja vor dem Lauf ausgerechnet, dass er unter 13h ankommen könnte, wenn er insgesamt 7:45 min/km läuft. Das ist schon recht anspruchsvoll, bei seiner Bestzeit in Thüringen in 13:22 h (Berge!) war es ein Schnitt von 8:01 min/km. Na ja – auf der Uhr standen 7:46 min/km. Das hieße, ein klein wenig schneller zu werden auf den letzten 30km. Sehr unwahrscheinlich.

 

Aber Bernd war jetzt richtig gut drauf und wollte es versuchen. Vor allem wollte er keine Stops an den Verpflegungspunkten mehr einlegen. Wir richteten uns so ein, dass ich ihm immer alles vorbereitete und Bernd nur ganz kurz – zum Schlürfen des Porridges oder Leeren des Teebechers – anhalten musste. An den VPs lief er nun durch, was ihm großes ungläubiges Staunen der dortigen Läufer und Helfer bescherte. Bald schon zeigte die Uhr einen Schnitt von 7:44 min/km.

 

Die Strecke verlief jetzt wieder auf einer alten Bahntrasse – allerdings ging es nun kilometerweit stets leicht bergauf. Das überraschte uns nicht, davon hatten wir gelesen.

 

Weil er jetzt so durchzog, überholte Bernd viele Läufer, die ihn zuvor – zum Teil vor langer Zeit schon – überholt hatten. Mit manchen wechselte er euch ein paar Worte.

 

Kurz hinter VP10 am km 79 war es aus mit dem schönen Wetter. Es begann recht stark zu Hageln, dann zu Regnen und es kühlte sich sehr ab. Es war etwa 17:00h. Der Regen hörte nach einer Weile auf, um später wieder anzufangen. Etwa bei km 88 wurde es schee, denn wir waren am Bahnhof Schee. Es ging in einen langen trockenen Tunnel, schee! Die Strecke ging ab hier leicht bergab, schee! Wir wussten es noch nicht, aber es sollte dabei bleiben: ganz sanft bergab bis ins Ziel.

 

Nun gab es für Bernd erst recht kein Halten mehr. Inzwischen war klar, dass er ruhig etwas nachlassen könnte, um unter 13h ins Ziel zu kommen. Aber er wollte sich lieber eine Reserve erlaufen. Unfassbar – die letzten 10km lief er fast alle unter 7:00 min/km, 6km davon sogar unter 6:30 min/km. Was mögen die dabei überholten Läufer wohl gedacht haben...

 

Mir allerdings war nach dem Regen und durch das Bergabrollen so richtig eiskalt geworden, das war kein Spaß mehr. Aber irgendwann geht ja alles auch einmal vorbei. Ab und zu schaffte ich es doch noch, die Gegend anzuschauen – diese war so schön! Die Bahnstrecke verlief weit oberhalb durch das Wuppertal mit wunderbaren Ausblicken.

 

Dann endlich war es so weit – Zieleinlauf nach 12:47:35h! Bravissimo! Weit unter 13 Stunden! Insgesamt war es dann ein Tempo von 7:40 min/km. Im Ziel war leider nicht viel los, wer noch da war hatte sich wegen Regens und Kälte ins Zelt verkrümelt. Ein regengraues fast menschenleeres Ziel. Aber das kann man niemandem vorwerfen, es war wirklich kalt. Bernd setzte sich mit Tee und Suppe ins Zelt und ich fuhr schnell los, das Fahrrad ins Auto laden und das Auto holen. Es parkte zum Glück nicht weit entfernt. Husch husch ins geheizte Auto und dann im Hotel in die heiße Wanne bzw. unter die heiße Dusche zum Auftauen.

 

Am Ende war Bernd beide Hälften in genau derselben Zeit gelaufen! Jede Hälfte in 6:23:47h – auf die Sekunde genau!

Bernd landete auf Platz 99 der Männer – aber auf den letzten 25km waren nur 49 Läufer schneller als er! Es war der 6. WHEW und es gab noch nie einen Finisher in der M70 und M75. Super gemacht, Bernd!

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© berlin-runner Katrin