Bernd hat es geschafft! Es brauchte drei Versuche innerhalb von vier Jahren, aber am 12.08.18 hat er endlich sein großes Ziel erreicht: er ist den Mauerweglauf, die 100 Meilen von Berlin, unter 24 Stunden gelaufen und erhielt dafür den lang ersehnten Buckle! Er schaffte es weit unter 24h - in 22:39:51h!
Wie kam es dazu?
Es war diesmal der perfekte Lauf - sowohl was Bernd Trainingszustand angeht als auch die äußeren Bedingungen. Die beiden bisherigen Teilnahmen fanden mit Handicaps statt: 2015 war es das erste Mal für Bernd, es war sehr heiß, mehr als 30 Grad. Bernd schien es, als wären 24 Stunden sehr lang und so ließ er sich eben auch Zeit. Zum Beispiel ging er nach etwa 30km erst einmal im See baden. Böschung runterklettern, ausziehen, baden, anziehen, Böschung hoch… mindestens 30 min. Bereits nach halber Strecke war die Hälfte der Zeit vergangen. Da man in der zweiten Hälfte immer nachlässt und in der Nacht sowieso langsamer ist als am Tage, war die Chance auf 24h schon bei der Hälfte nicht mehr real vorhanden. Dann verlief er sich noch irgendwo bei Teltow (ca. km 105), die Nacht brach an, die Moral sank…. Aber er finishte - 27:33:40h. Im Jahr 2016 waren die äußeren Bedingungen besser, „nur“ 26 Grad Höchsttemperatur. Bernd war fit und motiviert - bis ihn 2 Tage vor dem Lauf ein Magenvirus erwischte. Während des Laufes war er immer noch krank und dass er den Lauf innerhalb der Cut-Off-Zeit von 30 Stunden schaffte, war eine Heldentat. Aber es gab dafür wieder nicht den heiß ersehnten Buckle.
2018 lief die Vorbereitung erneut perfekt. Harzquerung 51km und Rennsteig 74 km wurden in guten Zeiten gelaufen. Beim Thüringer Ultra (100km, 2.200 Höhenmeter, 13:22:49 h) verbesserte er die persönliche Bestzeit um eine Stunde und lief damit inoffiziell Weltjahresbestzeit der M75. Und das mit 2.200 Höhenmetern! Schade dass der Lauf nicht bestenlistentauglich ist.
Ansonsten ist dieser Sommer sehr heiß. In den Wochen vor dem Mauerweglauf gab es in Berlin meist Höchsttemperaturen um die 30 Grad. Drei Tage vor dem Lauf waren 36 Grad. Dann kamen Gewitter und für 2 Tage - Freitag und Samstag (Start 6:00 Uhr) gab es gute Temperaturen um die 23 Grad. Ein Wetterwunder! Schon am Sonntag (Zielschluss 12 Uhr) herrschten wieder 29 Grad.
Bernd war es klar: jetzt oder nie!
Sein Plan war, bis zu unserem Treffpunkt bei km98 (VP15 Pagels) einen Schnitt von 8min/km zu halten. Dann hätte er noch etwas mehr als 10min/km für die letzten 64km.
Jedes Jahr wird an der Strecke einem der vielen Maueropfer gedacht. Diese Verbindung zwischen unserer Geschichte und den damit zusammenhängenden Emotionen und dem Laufwettbewerb macht den Mauerweglauf zu etwas ganz Besonderem. Für Bernd und mich sowieso - wir wären uns ohne Mauerfall ja nie begegnet.
Dieses Jahr galt das Gedenken Jörg Hartmann - einem 10jährigen Jungen, der 1966 im Grenzgebiet Berlin Treptow erschossen wurde, weil er Richtung Westen zu seinem dort lebenden Vater wollte. An seinem Denkmal wurde Spielzeug abgelegt, das die Läufer extra dafür mitgebracht hatten. Für jeden ein sehr bewegender Moment.
Bei km39 VP6 Buckow (10:42 Uhr) war ich an der Strecke und fuhr auf dem Rad ca. 10km mit. Bernd kam zusammen mit einer Läuferin an, die noch nie mehr als einen Marathon gelaufen war und sich etwas an seiner Einteilung des Laufes orientieren wollte. Sie lief dann nach vorne weiter, irgendwann müssen wir sie nochmal überholt haben. Unglaublich, sie hat es dann auch noch unter 24h geschafft!
Bernd jedenfalls sah gut aus, fühlte sich auch gut und lag voll im Plan.
Er war nach 13:06 Stunden (19:06 Uhr) bei VP15 Pagels - 7:57 min/km, Punktlandung!
Ab km98 fuhr ich dann als Radbegleitung bis zum Schluss mit. Gegen 21 Uhr etwa km 110, VP 17, wurde es dunkel. Wir holten Warnwesten und Lampen heraus. Die Strecke verlief nun auch im Wald - war also richtig dunkel. Die Nacht war sternenklar, leider Neumond - also kein Mond. Anders als in den Vorjahren waren wir nicht so allein auf der Strecke, sondern trafen immer wieder andere Läufer. Bernd lief wohl diesmal im „Hauptfeld“ mit - außerdem waren es sowieso mehr Teilnehmer.
Von 450 gemeldeten Einzelläufern starteten 397 und 324 kamen ins Ziel. Es gab eine Disqualifikation - ein französischer Läufer im Spitzenfeld ist wohl wiederholt über rote Ampeln gelaufen.
VP18 Schönwalde km116 (21:42 Uhr) liegt ohnehin an einer sehr dunklen Ecke und die Mädels dort hatten gar kein Licht! Sie waren darauf angewiesen, dass die Läufer mit ihren Kopflampen den Gabentisch ausleuchteten. Oje - was wurde denn später daraus, als die Läufer nur noch sehr vereinzelt dort ankamen?
Hier das riesengroße Dankeschön an all die Helfer, die Stunden über Stunden, die ganze Nacht hindurch, an der Strecke ausharrten und alles gaben - Zuspruch, Trost, Aufmunterung und Verpflegung - um die Läufer und auch die Radbegleiter zu unterstützen!
Weiter ging es durch finsteren Wald und an der ebenfalls finsteren Havel entlang Richtung Hennigsdorf. Ganz in der Nähe des VP20 Ruderclub km128 (23:39 Uhr) fand ein „Rockfestival“ statt - aber Rockmusik war das nicht, das wir zu hören bekamen. Bernd ließ den VP einfach aus, er freute sich schon… auf das Familientreffen bei km 129,5. Dort warteten Schwester Rosi und Nichte Marianne auf uns. Es gab eine Pause, heißen Kaffee, Schokolade für Bernd. Ich zog mir alle Sachen an, die wir noch über hatten - es wurde recht kühl (Tiefsttemperatur später dann 14 Grad) und die Müdigkeit hält auch nicht warm.
Weiter durch den Wald, wo es nun einige Anstiege gab. Bernd lief wie ein Uhrwerk, meist unter 8 min/km. Inzwischen war es klar: 6 Stunden Zeit für 32km - wenn nicht noch ganz Dramatisches passiert, bekommt er heute den Buckle!
Die nächste kurze Pause gab es am VP22 Naturschutzturm km 139 (01:20 Uhr). Hmhm, die Tomatensuppe dort war lecker! Jetzt fiel Bernd das Anlaufen schon recht schwer, er hatte auch mal auf der einen und dann auf der anderen Seite Schmerzen in der Hüft- und Leistengegend. Kein Wunder, solche Strecken ist der Körper ja doch nicht gewohnt! Dafür hatte fast gar keine Krämpfe - seitdem er immer viel Salz unterwegs nimmt, sind Krämpfe kein Problem mehr.
Die Strecke vom VP22 bis nach Glienicke hinein war sehr eklig, Sandboden, Unebenheiten und Steinchen. Dann aber kamen wir wieder in bewohntes und beleuchtetes Gebiet. VP23 km 143 ließ Bernd wieder aus. Weiter auf schöner aber auch welliger Strecke an den Moorwiesen entlang zum VP24 Lübars km148 (2:50 Uhr). Das ist auch mitten im Nichts - es gab Strom über einen Generator. Noch 3 Stunden für 14km! Bernd, du kannst dir Zeit lassen! Er meinte, er macht langsamer, wenn er Lust dazu hat. Hatte er aber nicht und lief weiter im Schnitt unter 8min. Durch dieses kontinuierliche Laufen und die sehr sparsamen Pausen schaffte Bernd es, sich von Platz 200 der Männer zu Beginn des Laufes auf Platz 109 vorzuarbeiten. Allein auf den letzten 4 Kilometern lief er noch an 9 Läufern vorbei! Er ist 75 Jahre alt!
Von km151 bis km154 VP25 Wilhelmsruh verlief die Strecke noch einmal in völliger Finsternis auf gräßlichem holprigen Asphalt. Danach wurde es aber wieder besser. Am VP25 (3:43 Uhr!) warteten unsere Freunde Petra und Thomas auf Bernd! Ihre Staffel war vor 90 min ins Ziel gekommen. Tolle Überraschung, Dankeschön! Ihr habt eine Stunde Schlaf geopfert!
Es ging weiter, den letzten VP26 km157 ließ Bernd wieder aus. Nun wollte er wohl nach Hause und wurde immer schneller. Die letzten Kilometer lief er in einer Pace knapp über 6 min/km. Da wunderten sich die überholten Läufer sicher, wo dieser geölte Blitz wohl herkam!
Jedenfalls musste ich am Stadion in rasender Geschwindigkeit mein Rad anschließen und zur Ziellinie rennen, um das Zielfoto zu schießen. Da wird einem Begleiter ganz schön was abverlangt! Die Stadionrunde war ganz sicher die Schnellste des ganzen Laufes!
Nach 22:39:51 Stunden - um 4:40 Uhr - war Bernd im Ziel. Insgesamt als 124. von 397 gestarteten Läuferinnen und Läufern. Traum erfüllt - Buckle erlaufen! Bernd ist überglücklich.
Es war der 7. Mauerweglauf. In den 7 Jahren war in den Altersklassen M75, M70, und M65 noch niemand so schnell wie Bernd!
Und - erstmals konnten wir vor der Siegerehrung nach Hause fahren und etwas schlafen! Toll! Da machte die Siegerehrung gleich viel mehr Freude. Diese war sehr bewegend, da noch einmal dem Maueropfer Jörg Hartmann gedacht wurde. Sogar seine damalige Lehrerin war bei der Siegerehrung und übergab Bernd die Medaille. Rainer Eppelmann erinnerte in wieder sehr anschaulichen Worten an damals.
Das ganze Wochenende war wieder ein sehr großes Erlebnis. Wir werden noch eine Weile brauchen, um all die Eindrücke zu verarbeiten.
Ein ganz großes Dankeschön an den Veranstalter! Es werden sehr viel Vorbereitung, Aufwand, Kraft, Koordination und vor allem Helferhände benötigt, um eine solche Mammutveranstaltung erfolgreich stattfinden zu lassen.
Was wird sich jetzt für uns ändern? Vier Jahre lang war der Buckle ein großes Thema unserer Gespräche und Planungen. Wie wird es jetzt weiter gehen? Haben wir kein Gesprächsthema mehr? Keine Pläne? Fällt Bernd in das große schwarze Loch des Nichts? Denkste - das Gegenteil wird der Fall sein. Der Deutschlandlauf 2019 ruft!
Schade schade schade, dass die 100 Meilen von Berlin nicht bestenlistentauglich sind. Warum auch immer. Bernd hätte mit seiner Zeit von 22:40h im M75 eine schöne Marke gesetzt! Na ja - irgendwas ist ja immer.