Obwohl der Lauf ja nur 4 Wochen nach dem Mauerweglauf stattfand und Bernd so gar nicht
wusste, ob er schon einigermaßen regeneriert sein wird, freuten wir uns riesig darauf. Bernau, das heißt Laufen und Freunde treffen zugleich. Bernau, das ist der Geburtsort von Bernds „Karriere“ als
Ultraläufer.
Bernd startete also wieder als Einzelläufer auf der 24h-Strecke, ich innerhalb einer 10er Staffel unserer Freunde der Radiergummiliga.
Es war dieses Jahr nicht leicht, die Radiergummistaffel zu besetzen und wir brauchten zusätzlich die Hilfe zweier Mitstreiter aus Steffens großem Bekanntenkreis. Schade, es gab Zeiten, da stellten
wir sogar zwei 10er Staffeln auf.
Thomas und Steffen steckten schon am Donnerstag nach Feierabend unseren Claim ab, mussten aber feststellen, dass ein Teil unseres Stammplatzes bereits besetzt war. Unerhört! Sie konnten aber den
größten Teil unseres Platzes sichern und letztes Endes kamen wir auch gut zurecht.
Bernd und ich packten am Freitag mittag das Auto. Mit den Möbeln (Biergartengarnitur, großer 2m Tisch, 3 Saunaliegen, 2 Stühle), dem Brennholz für den Feuerkorb und unseren persönlichen Sachen ist
das Auto immer richtig voll. In Bernau angekommen, stellte ich fest, dass wir das Zelt (um ggf. etwas zu schlafen), eine Isomatte und die Böcke, die als Tischbeine dienen, vergessen hatten. Und das
trotz Packliste! Ich werde echt älter und vergesslicher. Auf das Zelt konnten wir verzichten, wir wollten ja sowieso nicht schlafen. Die Böcke waren unverzichtbar und zur Strafe mussten zwei Neue im
Baumarkt gekauft werden.
Es war Freitag Nachmittag und so nach und nach trudelten die ersten unserer Mitstreiter ein. Wir bauten den Pavillon auf und stießen schon mal aufs Wochenende an. Zum Abendessen fielen wir wie immer
im Restaurant Zickenschulze ein, wo Bernd und ich auch schliefen.
Nachdem wir schön ausgeschlafen und gefrühstückt hatten, kamen wir gegen 10 Uhr wieder in den Stadtpark. Das Lager füllte sich nun mit Liegen, Stühlen, Vorräten und unseren Mitstreitern.
Es waren tagsüber 21 Grad vorhergesagt und nachts 13 Grad, was nachts ganz schön kühl ist. Endlich um 14h gab es den
Startschuss.
Die 6h-Läufer und 24h-Läufer, Staffeln und Einzelläufer, rannten alle zusammen los. Bernd lief die ersten 12 km viel zu schnell in einer Pace zwischen 6:00 und 6:30 min/km. Viel zu schnell! Dann
allerdings meldeten sich Rückenschmerzen, die vermutlich von Gartenarbeit der letzten Zeit verursacht wurden. Er schmierte mehrmals Voltaren. Endlich bremste er sich auch und die km-Zeiten lagen
zwischen 7 und 8 min. Die Rückenschmerzen vergingen und Bernd lief Runde um Runde…
Ich lief als 4. unserer Staffel los und war dann etwa alle 90 - 110 Minuten wieder dran. So lief ich auch die ganze Nacht hindurch und setzte nur am Sonntag gegen 10 Uhr und ganz am Ende einmal aus.
Es kamen 13 Runden, gesamt 20,8 km, zusammen.
Zwei Mal hatten wir Glück und Bernd kam gerade durch den Start/Zielbereich, als mein Wechsel war. So konnten wir zwei schöne Runden zusammen laufen.
Inzwischen wurde es Abend und es gab bei uns Radiergummis endlich die ersehnten Bratwürstchen. Dazu Brötchen, Tomaten, Nudelsalat, herrlich. Bernd bekam davon wohl nichts mit und das war gut so. Ist
nicht die richtige Läuferkost. Inzwischen hatte er gemerkt, dass er doch schon wieder erholt ist nach dem Mauerweglauf und dass es vielleicht sehr gut werden könnte…
Der 6h-Lauf war um 20:00h beendet und die Strecke wurde leerer… Die Lampen im Bereich der Stadtmauer und auf den Wällen wurden angeschaltet… Der Friedhof lag im Dunkeln… Die Mystik setzte ein! Ich
mag diese nächtlichen Runden, wenn ich auch nachts noch langsamer bin.
In den langen Laufpausen versuchte ich, so gut wie möglich Bernd, Benjy und auch Daniela zu unterstützen. Für Benjy stand immer lauwarmer Tee bereit, Bernd bekam Erdinger alkoholfrei und Daniela
Eistee. Es gab einen Weckservice in den Pausen, Brühe mit Nudeln, Haferschleim, angewärmte Energiegels und bei Bedarf Melkfett, Voltarensalbe und Massage. Nur Jenny, unserer 4. Einzelläuferin, bot
ich die Unterstützung umsonst an. Sie lachte immer nur und lehnte ab.
Bernd kam gegen 1:15 Uhr mit Magenschmerzen ins Lager und legte sich auf die Saunaliege. Er war bei km 91. Ich packte ihn in unsere Decke ein und legte ihm das zum Glück vorhandene elektrische Heizkissen auf den Bauch. Nach etwa 80 Minuten, er hatte geschlafen, fühlte er sich viel besser und begann wieder seine Runden zu drehen.
Ich war um 3:02 Uhr wieder mit einer Runde dran und legte mich danach endlich einmal hin. Nicht allzu lange, da kam Bernd angelaufen und verkündete, er würde gleich eine Runde beenden und hätte dann 100 km. Es war gegen 4:10 Uhr. Ich stand schnell auf und wir liefen gemeinsam durchs Ziel. Bernd ging es wieder gut, keine Rücken- und keine Magenschmerzen mehr.
Für die Staffel war es jetzt die schwerste Zeit, der eine oder die andere meldeten Pausen an. Alle hatten sich Schlafplätze meist in der Nähe des Feuers gesucht und sich schön warm eingemummelt. Steffen ging auch schlafen und die undankbare Aufgabe, den nächsten Läufer zu wecken, fiel mir dann zu. Sorry Marcel, Christian und Thomas, beim ersten Wechsel war ich verpeilt und habe falsch geweckt.
Meine nächste Runde um 4:46 Uhr war dann schon die letzte im Dunkeln, um 5:30 Uhr dämmerte es.
Bernd lief und lief und lief. Ich begann hochzurechnen: wenn es ihm gelingt weiterzulaufen und es würde sogar eine Pace von 10 min/km reichen, dann schafft er die 100 Runden = 100 Meilen und würde die Weltjahresbestleistung der M75 toppen. Diese stand bei 156,7 km. Bernd hatte Lunte gerochen und fragte immer wieder mal, ob er noch gut in der Zeit liegt. Ja! Irgendwann verkündete ich dem Veranstalter, um was es für Bernd geht und so wurde er auch übers Mikro angefeuert. - Nachtrag: als die Bestenlisten erschienen, wurde klar, dass Bernd international noch in der M70 ist. Er hat eben erst im Dezember den 75. Geburtstag. In M70 stand die Weltjahresbestzeit bei 163,0 km.
Unsere Staffelläufer waren nun wieder alle wach und fast alle im Rennen, so dass ich nun eine Runde aussetzte. Die Sonne schien und es wurde wieder warm – eine zusätzliche Schwierigkeit vor allem für die Einzelläufer. Die Zeit verging, ich war gerade dabei schon ein paar Sachen im Auto aufzuräumen, da hörte ich die Ansage, dass Bernd eben die Jahresweltbestleistung überboten hat! Wow! Mist, ich hab den Zieldurchlauf verpasst! Hey, dann sind ja auch die 100 Meilen nicht mehr weit entfernt! Die letzten Kilometer trieb ihn noch der Ehrgeiz, möglichst viele Kilometer zwischen sich und die Konkurrenz zu bringen und er wurde immer schneller! Um 14:00 Uhr war endlich Schluß. Bernd hatte nach 23h54min die 102. Runde (= 164,88 km) beendet und lief nicht noch einmal auf die Strecke.
Thomas legte für die Staffel die fast allerschnellste Runde als Letzte hin, um nicht irgendwo auf der Strecke auf die Ausmessung warten zu müssen. Großartig! Unsere Staffel hatte 126 Runden = 203,5 km geschafft, ich davon 21 km. Prima, Halbmarathon! Die Staffel verteidigte damit erfolgreich den angestammten Platz 1 (von hinten). Das macht gar nichts, es hat viel Spaß gemacht. Wir werden dafür von den anderen Staffeln geliebt – muss sich doch keiner Sorgen machen, Letzter zu werden.
Wir stießen erst mal alle an und machten das obligatorische Foto unter der Zieluhr. Dann ging es ans Aufräumen und für Bernd ans Umziehen am Auto. Er war – mit Unterstützung – kaum fertig, da wurde ihm schlecht und er war nicht mehr richtig bei sich. Zum Glück kam Steffen zu Hilfe, so dass ich zu den Sanitätern rennen konnte. Sie maßen Blutdruck und Sauerstoffsättigung und gaben Entwarnung. Nix dramatisches, nur eine Kreislaufschwäche. Könne vorkommen, Bernd solle aber lieber im Schatten liegen bleiben und nicht mit zur Siegerehrung. Was?! Na zum Glück war noch etwas Zeit... Er erholte sich recht schnell, die Farbe kehrte ins Gesicht zurück und letzten Endes konnte er sich doch gebührend ehren und feiern lassen.
Leider gibt es einen großen Wermutstropfen: es wird künftig keinen 24h-Lauf in Bernau mehr geben. Die Veranstaltung wird völlig umgestellt, es wird nur noch einen 12h-Lauf als längste Distanz geben, der dann tagsüber stattfindet. Ich bin ziemlich traurig deswegen, denn mir bedeutet Bernau inzwischen recht viel. Hier war unser erster 24h-Lauf, hier sind wir mit den Radiergummis zusammengewachsen, hier ist Bernd zum Ultraläufer geworden und feierte nun hier seinen größten Erfolg. Hier haben wir hautnah erlebt, was es bedeutet, wenn es Nacht ist und wie belebend es ist, wenn es wieder hell wird. Ganz bestimmt werden wir Bernau weiter die Treue halten, aber ohne die Nacht wird es eben nicht dasselbe sein. Wir waren seit 2011 jedes Jahr dabei und ich bin froh und dankbar für diese Erlebnisse.